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2 – Das Leben ist Werden und Vergehen
Ein Auf- und Ab. Alles vergeht aber alles kommt auch wieder. Werden und Vergehen verspricht Unendlichkeit. Das ewige Leben gibt es nur durch den Tod. Wir Menschen haben Erkenntnis und Bewusstheit. Damit unterscheiden wir uns von allen anderen Geschöpfen. Wir bewerten gut und schlecht.
3 – Menschen überschätzen ihre Individualität
Das drückt sich aus in der Persönlichkeit. Wir glauben, überwiegend individuell zu sein. Das stelle ich in in Frage. Unsere Individualität ist klein im Verhältnis zu dem, was uns von außen prägt; was uns zu dem gemacht hat, was wir sind.
Um wirklich individuell zu sein, braucht es Reflexion und die Entscheidung zu bewusstem Handeln. Daran mangelt es. Wir überschätzen unsere Individualität.
4 – Ich bin vor allem ein Glied in einer Kette
Viel verbreiterter als Individualität und Sinnfindung ist der alltägliche Egoismus. Denn er verspricht uns Macht, Geld und Anerkennung. Die bescheidene Belohnung des Altruismus wird von uns weniger geschätzt.
5 – Es bleibt die Angst vor dem Tod
Wir blicken auf eine schauerlich Geschichte zurück. Vor allem die Zeit des 30-jährigen Kriegs in Europa sticht dabei hervor. Aus dieser Zeit sind Gemälde vorhanden, die unsere Bild vom Tod seit Generationen prägen. Und ich vermute, dass sie es immer noch tun. Auf der anderen Seite haben wir heute Schilderungen von Nahtod-Erfahrungen, die im Gegensatz dazu stehen. Sie vermitteln einen Zustand im Moment des Todes, der angstfrei ist und sogar Glückseeligigkeit ausstrahlt.
6 – Steigende Bewusstheit …
… bei gleichzeitigem Verlust unseres genetisch bedingten Verhaltens erhöht die Angst vor dem Tod. Wir lehnen heute mehr denn je das Mystische ab. Vielleicht auch, weil Mystik von einigen Religionen zur Manipulation eingesetzt wurde. Wir müssen uns wieder neu damit auseinander setzen. Unsere moderne Fortschrittsgläubigkeit ersetzt mehr und mehr den Einfluss von Kirchen. Wir haben die Kirche nicht mehr nötig. Allerdings ohne dass wir einen sinn-vollen Ersatz finden. Die Entfremdung des Menschen von der Natur steigt.
Das Leben lebt sich selbst, so kann man es ausdrücken … und was ist mit dem Tod?
Über ihn erhalten wir keine Erklärung. Denn wir kennen ihn nicht aus eigener Erfahrung. Das Schlimme daran ist, dass damit auch keine zu Lebzeiten erfahrbare Zuversicht gewonnen werden kann.
Wie können wir dennoch Trost erhalten?
Und warum gibt es überhaupt den Tod?
Um diese Themen geht es mir hier.
Diese immer wiederkehrende Frage nach dem Tod lässt mich nicht los … lässt uns vermutlich alle nicht los, auch wenn es vielen nicht bewusst ist.
Ich kann mir vorstellen, dass viele Religionen dieser Welt ihren Ursprung in der Frage nach dem Tod haben. Weil der Glaube an einen Gott, der Alles erschaffen hat – und damit auch den Tod – eine gute und beruhigende Wirkung hat.
Im großen Maßstab mündet diese Art von Glauben der Welt-Religionen dann in Richtung eines „ewigen Lebens“. Jedenfalls versprechen das viele Kirchen ihren Gläubigen.
Ach – könnte ich doch auch dran glauben.
Aber selbst dann gibt es einen Haken an diesem Versprechen z.B. der christlichen Kirche. Es ist nämlich nicht sicher, dass auch alle in das Paradies des Himmels hinein gelassen werden. Es gibt da eine Selektion. Selbst mit dem christlichen Glauben gibt es also keine absolute Sicherheit. Andererseits bin ich gar nicht so weit entfernt von der Kirche, wie es jetzt erscheinen könnte. Bei mir bezieht sich der Glaube nur nicht auf einen Gott, der eher menschlich denkt und handelt, sondern auf das Ungewisse … das Unvorstellbare, das sich in diesem Leben selber darstellt. Ich bezeichne es als den Sinn, weil ich einen Sinn hinter allem erahne.
Ich meine, dass niemand eine Antwort auf die Frage nach dem Tod hat … haben kann, die im Kern doch unsere ganze Existenz in weitem Maß lenkt. Das ist unbefriedigend! So unbefriedigend, dass viele Philosophen darüber spekuliert haben. Und irgendwie sind wir ja alle Philosophen – manche mehr, manche weniger. Ich zähle mich auch dazu. Wir können nur unsere Ansichten dazu kund tun … miteinander austauschen, was uns gleichzeitig auch noch verbindet. Das ist der Grund warum ich hier schreibe. Kein Wissen, hoffentlich keine Arroganz, nur Gedanken eines begrenzten Denkens.
Noch drei letzte Vorbemerkungen:
Ich schreibe hier über den Tod und damit vor allem über den eigenen. Diesen Tod, der Tatsache ist und den ich dennoch nicht erleben werden. Es ist somit keine distanzierte Beschreibung sondern eine, die mich im Tiefsten meines Inneren beschäftigt, verunsichert und in all meinem Tun beeinflusst.
Und bei allem was ich hier schreibe, bin ich doch – als Mensch – so begrenzt in meinen Gedanken und Schlussfolgerungen, dass ich zu einem anderen Zeitpunkt ganz andere Gedanken zu diesem Thema habe. Das halte ich für normal; jede Lebensphase ist ein Kapitel für sich.
Und schließlich stehen alle meine Überlegungen unter der Aufforderung: Suchen wir den Sinn! Mithilfe dieser Suche werden wir bestenfalls eine Ahnung von der wahren Bedeutung des Lebens bekommen – nicht mehr und nicht weniger. Ich empfinde das als das größte Geschenk, was ich mir selbst bereiten kann.
Das Leben ist ein Werden und Vergehen. Alles auf der Erde unterliegt diesem Gebot! Auch die Erde selbst.
Aber alles kommt auch wieder. Zumindest ist das logisch, wenn man das, was wir wissen und vermuten, in die Zukunft extrapoliert. Zwei Beispiele dazu.
Ich weiß, das ist alles ungewiss und damit spekulativ. Es gibt unendlich viele andere Möglichkeiten. Aber ich glaube an das ewige Fortbestehen des Lebens – in welcher Form auch immer.
Wir alle sind Teil des Lebens. Und damit Teil des Prozesses von Werden und Vergehen … immer und immer wieder. Nur das verspricht die Unendlichkeit des Lebens. Wären wir unsterblich, gäbe es für das Leben kein Ende und damit auch keinen Anfang.
Die Basis von Allem ist der Lebensimpuls; denn er ist nicht materiell. Es gab ihn schon immer! Sobald seine Bedingungen erfüllt sind, erzeugt er Leben … vom Einzeller über komplexen Lebewesen … bis hin zu uns Menschen … und vielleicht darüber hinaus.
Wir Menschen sind aber nicht nur Teil des Lebens, wird sind auch Individuen. Wir sind sogar der extreme Ausdruck der Individualität auf Erden. Den Leser dieser Zeilen gibt es nur einmal! Und er/sie/es weiß das auch.
Der Tod dagegen ist das Ende der Individualität. Wir verlieren sie mit dem Tod – doch das Leben verliert nichts. Jedes Lebewesen gibt zu Lebzeiten seinen Impuls, seine Energie – seinen Input – in dieses Leben hinein.
Der Tod ist das Ende meiner Individualität, wie der Vulkan-Ausbruch das Ende des Berges ist oder wie das Ende einer Insel, wenn der Meeresspiegel steigt.
„Wie groß ist denn mein Anteil von individuellem Handeln gegenüber einem Verhalten, das von äußeren Einflüssen und Gegebenheiten vorgegeben, vorbestimmt oder zumindest stark beeinflusst wird“ – das ist die Frage in diesem Kapitel.
Dabei sind wir wohl eher davon überzeugt, dass wir in unseren Gedanken und Handlungen hochgradig individuell sind und dass wir uns durch unsere Individualität von allen Anderen stark unterscheiden.
Aber schauen wir uns doch mal unser Verhalten etwas genauer an. Da fange ich mal mit mir an. Ich will einige meiner Lebenserfahrungen aufführen:
Das geht mir gegen den Strich. Gerne würde ich etwas ändern. Aber das ist aufwändig und mir nur im geringen Umfang möglich. Vielmehr konstatiere ich, dass ich meine individuellen Neigungen nicht wirklich leben kann. Dazu wären große Korrekturen am Gesamt-System notwendig. Das zu vollbringen ist mir alleine nicht möglich.
Ich will noch einige andere Beispiele – und damit Belege – aufzählen, hinsichtlich der Begrenzung meiner Individualität.
Nicht zu vernachlässigen sind meine verschiedenen Angewohnheiten und Marotten bis hin zu den Neurosen … falls ich so etwas haben sollte. Gehören diese Anteile auch zu meiner Individualität? Und wenn nicht, wie unterscheide ich das Eine vom Anderen?
Das könnte die Antwort sein:
Individualität braucht Reflexion und die Entscheidung zu einem bewussten Handeln sowie eine Umgebung, die das zulässt.
Die Schlussfolgerung aus all diesen Beobachtungen heißt für mich:
Wir sind längst nicht so individuell, wie wir uns einschätzen, oder aber – wenn ich es wieder auf mich beziehe – wie ich früher dachte.
Einerseits ist das enttäuschend. Andererseits aber auch beruhigend hinsichtlich der Frage nach dem Tod? Mit mir stirbt also nicht dieses einzigartige ICH, sondern der Mensch, der ein Teil des gesamten Systems ist … lediglich mit kleinen Abweichungen der Individualität.
Anmerkung (nachträglich)
War die Zeit des Urzeitmenschen tatsächlich so frei, wie ich es hier beschreibe? Vermutlich nicht. Aber es geht ja auch gar nicht um eine tatsächlich vorhandene Individualität, als vielmehr um eine Vorstellung davon, die als eine Art Sehnsucht in meiner kindlichen Vorstellungs-Welt entstand.
Der Begriff Iindividualität ist in diesem Kapitel auch als Selbstbestimmtheit zu verstehen.
Meine individuelle, selbstbestimmte Lebensgestaltung ist also sehr begrenzt; ich bin vor allem ein Glied in einer Kette. Mein Tun und Handeln wird gebraucht, damit das Leben in Zukunft besser läuft – nicht für mich, sondern für das Leben im Allgemeinen – was immer man sich darunter vorstellen mag. Ich persönlich werde davon vielleicht nichts mehr haben; denn solche Entwicklungsprozesse ziehen sich über viele Generationen hinweg.
Im Gegenzug meldet sich dann bei uns Menschen der eigene Egoismus der sagt: „was interessiert mich die Zukunft? Ich will jetzt mein Leben genießen“. Und das setzt sich letztendlich doch immer öfter durch.
Ich möchte jetzt diesem Egoismus etwas anderes gegenüber stellen. Dazu muss ich dieses Andere erst einmal definieren.
Über dieses Andere kann man ganz unterschiedlicher Meinung sein. Für mich ganz persönlich geht es in Richtung der ursprünglichen Botschaften von Religionen, wie z.B. dem Christentum. Aber auf dieses Gebiet dehne ich meine Gedanken jetzt nicht weiter aus. Ich beziehe mich auf unseren normalen Sprachgebrauch, der den Altruismus als das Gegenteil von Egoismus benennt. Diesen Begriff nehme ich jetzt. Ich verzichte dabei auf eine explizite Definition beider Begriffe.
Den Tod vor Augen ist ein egoistisches Verhalten nicht sinnvoll und logisch. Denn einerseits beendet der Tod alle Vorteile, die ich für mein zukünftiges Leben eingerichtet habe. Und zum Anderen wird man dann nicht mit Momenten des Glücks belohnt. Nur das Zurückstellen der eigenen Vorteile zugunsten Anderer, also ein altruistisches Verhalten – kann tiefe Befriedigung in mir auslösen. Die Gewissheit des Todes zeigt von mir weg auf diejenigen, denen ich ins oder im Leben geholfen habe oder in Zukunft helfen werde. Das – nebenbei erklärt – ist für mich die grundlegende Botschaft Jesu.
Selbst wenn ich meine, dass beides – sowohl Egoismus als auch Altruismus – in einer ähnlichen Größenordnung in uns Menschen vorhanden ist, fallen die negativen Auswirkungen (also das, was ich ganz subjektiv als negativ bewerte) egoistischer Menschen eher ins Auge. Denn sie sind verbunden mit Macht, Geld, Hochachtung und so weiter.
Altruistisches Verhalten dagegen ist still und zurückhaltend … also unauffällig.
Trotz aller Erklärungen und allem Verständnis ist die Angst vor dem Tod von uns untrennbar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemanden gibt, der davon gänzlich frei ist. Sie ist dem Leben geschuldet. Ohne diese Angst würden wir auch allzu schnell auf ein Weiterleben verzichten. Das ist nicht im Sinn des Lebens. Denn … es gibt noch viel zu tun!
Die Angst vor dem Tod gibt es, seit es Menschen gibt. Bereits aus der griechischen Antike sind Gedanken dazu dazu bekannt.
Von Epikur stammt der berühmte Satz: „Das schauerlichste Übel also, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr.”
Von Seneca lesen wir: „Der Tod bedeutet die Tilgung jeglichen Schmerzes und er ist die Grenze, über die unsere Leiden nicht hinausgelangen; er gibt uns wieder jenen Zustand der Ruhe zurück, dem wir vor unserer Geburt angehörten.“
Viel später weist Arthur Schopenhauer auf die unterschiedliche Beurteilung der Zeit vor und nach unserem Leben hin:
„Eine ganze Unendlichkeit ist abgelaufen, als wir noch nicht waren; aber das betrübt uns keineswegs.“
Allerdings werden all diese guten Ratschläge auf einer rationalen Ebene erteilt. Was nützt aber dem Spinnenfobiker die Versicherung, dass Spinnenbisse selten vorkommen und in der Regel harmlos sind? Von ernsthaften Vergiftungen oder gar Todesfällen nach dem Biss einer Spinne ist in Deutschland nichts bekannt – schreibt das Umweltbundesamts, also eine absolut zuverlässige Quelle.
Die Vergangenheit – Prägung durch die Zeit
Mit dem folgenden Link gelangt man zu einer detaillierten Erklärung und Interpretation dieses Bilds von Pieter Bruegel
“Triumph des Todes” Lehrmaterial Sek1 RPMuseum
Dieses Bild – gemalt von Pieter Bruegel mit dem Titel „Der Triumph des Todes“ – zeigt uns heutigen Menschen den Tod, wie er vor Jahrhunderten in unserem Kulturkreis dargestellt wurde. Victor Hugo bezeichnet in einem seiner Romane diese Zeit als “die Lausbubenzeit der Geschichte”. Unter einem Lausbub versteht er wohl unreife Menschen, die unter anderem Insekten die Flügel ausreißen aus Gründen, die ich weder nachvollziehen noch beschreiben kann. Wenn sich dann eine Vielzahl von Menschen – vor allem Männer – wie solche Lausbuben aufführen, dann entsteht eine Situation, wie sie Bruegel hier in ein Bild gesetzt hat. Ein abschreckendes Bild mit einer Botschaft, die über Generationen unsere Vorstellung vom Tod auch heute noch unbewusst prägt und damit Angst auslöst.
Dabei gibt es eine Reihe von Nahtod-Erfahrungen, die etwas ganz anderes vermitteln.
Viele Berichte dazu kann man sich als Interview mit denjenigen Menschen ansehen und -hören, die das erlebt haben. Die überwiegende Mehrzahl dieser Erlebnisse ist positiv, wenn nicht gar euphorisch zu nennen. Es gibt viele Schilderungen, die von Menschen gemacht werden, die nach diesen Nahtod-Erfahrungen überhaupt keine Angst mehr vor dem Tod haben.
Auf der anderen Seite wird der Wahrheitsgehalt solcher Schilderungen auch infrage gestellt und als eine Art Halluzination oder aber als Selbst-Suggestion abgewertet.
Der Prozentsatz derjenigen, die eine solche Botschaft in ihrem Nahtod-Erlebnis erfahren haben ist relativ hoch. Insofern gibt es keinen Zweifel an diesen Erlebnissen. Die Bewertung dieser Erlebnisse ist dagegen eine andere Sache. Aber trifft das nicht auf alle mystischen Gegebenheit dieser Welt zu? Wir befinden uns halt in einer modernen Welt, die nicht an Wunder oder Mystik glaubt … nicht mehr, möchte ich ergänzen.
Meine ganz eigene Haltung dazu ist positiv, sie ermutigt mich. Wobei ich beide Seiten verstehen kann: diejenigen, die an Wunder und Mystik glauben und die Skeptiker. Das liegt daran, dass ich beide Seiten schon durchlebt habe. Schließlich bin ich Naturwissenschaftler … da komme ich her. Nur was naturwissenschaftlich begründet werden kann, war für mich viele Jahrzehnte die Wahrheit. Davon habe ich mich weit entfernt. Ich erlebe Mystik. Ich kann das aber niemandem beweisen … vielleicht muss man das auch nicht.
Was ist Angst?
Ich schreibe hier über die Angst vor dem Tod. Dazu muss ich zunächst den Begriff Angst definieren; denn welche Angst meine ich? Schon der Begriff Todesangst deutet an, dass es verschieden Formen der Angst geben wird, wobei Letztere offenbar eine besonders ausgeprägte Form der Angst ist.
Ich will noch weiter relativieren indem ich behaupte, dass jeder Mensch unter dem Begriff Angst – also dieser ganz persönlich empfundenen Angst – etwas sehr Unterschiedliches verstehen wird.
Eine grundsätzliche tiefenpsychologische Studie mit dem Versuch, die Angst wissenschaftlich zu beschreiben, hat der Psychoanalytiker Fritz Riemann verfasst, die erstmals im Jahr 1961 erschienen ist. Darin macht Riemann vier Grundformen der Angst aus, die er folgendermaßen benennt:
Eine Zusammenfassung über die Grundformen der Angst ist bei Wikipedia nachzulesen. Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Grundformen_der_Angst#Zusammenfassung
Sein Werk – was als Buch heraus gegeben wurde – gibt umfassende Erläuterungen. Mit seiner wissenschaftlichen Form erscheint es mir aber sehr akademisch und ich versuche es hier an dieser Stelle mit einer anschaulicheren Erklärung. Bei dieser unterteile ich die Angst in verschiedene Stadien (Stärken), also in eine Art Steigerung. Dann ergibt sich für mich zunächst die Vorsicht, dann folgt die Befürchtung und bei der schärfsten Form bleibe ich bei dem Begriff Angst.
Die Vorsicht
Vorsicht ist allgegenwärtig. Alle Lebewesen halten ein Vorsichtgebot ein. Auch den Pflanzen würde ich ein solches Verhalten unterstellen. So treibt die Kirschblüte erst aus, wenn die Pflanze sicher sein kann, dass kein Frost mehr kommen wird.
Bei Tieren ist die Vorsicht stärker ausgeprägt. Die Vögel in meinem Garten lassen mich einige Meter an sich heran kommen; dann fliegen sie weg. Das ist wohl auch genetisch bedingt. Deshalb halte ich den Begriff „Vorsicht“ nur bedingt geeignet für andere Lebewesen als den Menschen.
Ein Beispiel für die Vorsicht beim Menschen ist unser Straßenverkehr. Bevor ich über die Straße gehe, schaue ich auf herankommende Fahrzeuge. Mein Antrieb dafür ist die Vorsicht, die auch nur unterbewusst vorhanden sein kann.
Die Befürchtung
Die etwas schärfere Form der Befürchtung bzw. der Furcht kann ich schon kaum noch auf Tiere anwenden, geschweige denn auf Pflanzen. Die Furcht ist für mich mit dem Begriff Ausweg verbunden. Wenn ich mich vor dem dunklen Wald fürchte, dann mache ich aus Furcht einen Bogen um ihn herum.
Die Angst
Bei der Angst – als schärfste Form in dieser Reihe – kommt für mich eine neurotische Komponente hinein. Also auch schon eine Abweichung von der Norm, eine Neigung zum krankhaften Verhalten. Angst wirkt sich auch körperlich aus. Begriffe wie Angstschweiß deuten darauf hin. Angst entsteht, wenn sich meine Befürchtung in einer Art steigert, dass ich sie nicht mehr im Griff habe, sie nicht mehr einschätzen bzw. sie nicht mehr kontrollieren kann. Ich sehe dann auch keinen Ausweg mehr. Ich kann diese Angst nur noch aushalten. Andere Formen wie Verdrängung und Abspaltung können zu psychischen Krankheiten führen.
Angst wird vom Menschen als negativ konnotiert – Vorsicht dagegen positiv.
Vorsicht beinhaltet die Aufforderung zum Handeln; Angst diejenige zum Erleiden bzw. zum Erdulden.
Die Angst vor dem Tod steht der Angst vor dem Leben entgegen. Bedeutet die Absicht zum Selbstmord nicht, dass derjenige mehr Angst vor dem Leben als vor dem Tod hat? Und parallel dazu stellt sich die umgekehrte Frage: ist die Angst vor dem Tod ein Zeichen für die Liebe zum Leben?
Bewusstheit
Je weiter sich der Mensch entwickelt, je weiter er sich seiner selbst bewusst bist, desto weiter entfernt er sich von den bisherigen Vorgaben der Natur und desto größer ist sein Bedürfnis, sein Schicksal selbst zu bestimmen. Dazu gehört es auch, den eigenen Tod unter Kontrolle zu bringen. Und genau das gelingt nicht … oder sollte ich besser schreiben: noch nicht?
Mir ist etwas bewusst – ich weiß darüber Bescheid. Aber das reicht mir nicht. Ich möchte mehr wissen … ich möchte alles wissen. Und wenn ich dann alles weiß, kann ich es dahin lenken, wo und wie ich es gerne hätte. Das ist unsere Motivation und das ist der Motor für jeden Fortschritt.
Mit Blick auf den Tod müssen wir aber eingestehen, dass wir auf diesem Gebiet kaum etwas steuern können. Wir können Krankheiten vermeiden und damit das Leben verlängern, aber gegenüber dem Tod sind wir machtlos. Und mit dem Tod befürchten wir – und das gilt auch für mich – den Fall in die Bedeutungslosigkeit, wie ich gleich ausführen werde.
Bei der Kontrolle über die Angst kommen wir schnell auf das Gebiet des Glaubens. Wir sind „in Gottes Hand”, so würde es die Kirche sagen. Ich selbst glaube, dass ich beeinflusst werde von „dem Unbeschreiblichen, das den Sinn darstellt“, das mir manchmal Botschaften in Form von Erkenntnissen schickt und das mir meinen Weg auf eine mystische Art weist, wenn ich mich dem ganz hingeben kann. Ich komme weiter unten noch einmal in dem Abschnitt mit der Überschrift „Bedeutung“ darauf zurück.
Die Kennzeichen heutiger Bewusstheit
Die folgenden vier Merkmale erkenne ich bei unserem Bestreben, unsere Bewusstheit zu steigern, um damit Kontrolle über unser Leben zu erreichen.
Alle diese Entwicklungen habe aber auch Schattenseiten. Eine davon ist darin zu sehen, dass das genetische Programm eines Homo sapiens aus der Vorzeit dem modernen Menschen immer weniger nützt, ja ihm sogar hinderlich erscheint. Allerdings schaffen wir mit der Entwicklung neuer Techniken auch neue Risiken, deren Gefahren wir nun aber nicht mehr genetisch – bzw. mit unseren natürlichen Reflexen – entgegen wirken, vermeiden oder abfedern können. Damit verliert unser naturhaftes Verhalten an Wert, das Gefühl der Sicherheit geht verloren.
Für den urzeitlichen Menschen war die Natur das Richtmaß. Später wurde Natur durch Gott ersetzt. In Zukunft werden wir selbst in einem erheblich größeren Ausmaß für die eigene Entwicklung verantwortlich sein. Dann wird der Einfluss der Natur (unserer ursprünglichen Natur) noch geringer sein. Es ist dann in weitem Maß Aufgabe unseres Bewusstseins, unser Leben zu steuern und die Gefahren, die parallel mit unserer fortschreitenden Entwicklung wachsen, zu beherrschen.
Bedeutung
Je mehr Bedeutung die eigene Persönlichkeit, die eigene Bewusstheit erlangt, umso mehr wird sie zum Gestalter unseres Lebens-Sinns. Im Hinblick auf diese Entwicklung. stellt sich die folgende Frage nach unserer Bedeutung bzw. nach unserem ganz eigenen Stellenwert.
Welche Auswirkung hat die Steigerung der eigenen Bewusstheit?
Die Antwort lautet:
Die eigene Bewusstheit kann nur steigen, wenn wir gleichzeitig unser Aufgehoben-sein in diesem Leben reduzieren.
Aufgehoben-sein empfinden wir vor allem,
kurz gesagt, wenn wir uns zugehörig fühlen und damit auch die Einschränkung einer Zugehörigkeit akzeptieren, vielleicht sogar Willkommen heißen.
Wenn aber all das nicht vorhanden ist und wir uns wenig aufgehoben und zugehörig fühlen und der Großteil unserer Bedeutung, unserer Wichtigkeit ausschließlich in uns selbst und unserer ganz persönlichen Bewusstheit zu finden ist, was bleibt dann nach meinem Tod?
Gefühlte Bedeutungslosigkeit …
Eine menschengemachte Entwicklung
Auf welche Welt steuern wir mit dieser menschengemachten Entwicklung zu?
Auf eine sehr gefährliche, befürchte ich. Die Menschheit ist weit entfernt von einer Gestaltung der Welt zum Besseren. Ich möchte da nur an das Vorhandensein unserer Massenvernichtungs-Waffen erinnern. Oder an die Zerstörung der Natur und der Artenvielfalt, während wir in unserer Naivität doch nur ein bequemeres Leben für uns selbst einrichten wollten.
Und schon wieder befinden wir uns in einer zerrissenen, gespaltenen Situation: mein Geist und mein Bedürfnis nach Sicherheit und Wohlstand drängt mich dazu, Kontrolle zu erreichen, meine Seele (meine innere Stimme) sagt mir, dass ich mich dem (Lebens-) Sinn hingeben soll.
Mit dem Tod verschwindet unsere Bewusstheit
Kann meine Bewusstheit wiedergeboren werden? War ich schon früher einmal auf dieser Welt? Diesen Gedanken verfolgt der Buddhismus. Hier gibt es nach dem Tod ein Zwischenstadium – das Bardo – was ich als eine Art Prüfung verstehe: „war ich ein guter Mensch?“ Wenn ja, dann wird mir das bei der Wiedergeburt angerechnet.
Unabhängig von Religion können wir uns ja nur als wir selbst wahrnehmen. Falls es also tatsächlich eine neue Bewusstheit gibt, die irgendwie eine Fortsetzung meiner ehemaligen ist, dann weiß ich zumindest nichts davon und dann ist es auch egal. Bewusstheit ist präsent im Hier und Jetzt. Alle Spekulationen darüber hinaus scheitern an der Tatsache, dass wir unser Denken kritisch überprüfen wollen und benutzen dazu genau dieses.
Wichtiger ist der Gedanke, dass der Mensch grundsätzlich ein Teil des Lebens ist und bleibt! Dieser Gedanke gefällt mir.
Mein ganz persönliches Fazit:
Bei allen Antworten die ich finde bleibt dennoch die Frage für mich:
„Wie kann ich den tröstlichen Gedanken an unsere unsterbliche Verbindung untereinander über die Angst vor dem eigenen Tod stellen?“
Einschränkung
Philosophische Artikel – wie dieser hier – geben immer eine Meinung wieder. Und die Meinung ist sowohl mit dem Zeitgeist verbunden als auch mit der Einstellung des Autors. Und kaum sind sie geschrieben, dann sind sie auch schon veraltet und könnten schon wieder neu gefasst werden.
Vielleicht sind philosophische Artikel daher eher eine Grundlage für eines Austausch als eine unumstößliche Erkenntnis.
Wir können das Leben linear betrachten oder zyklisch. Im ersten Fall ist das Leben die Zeit zwischen Geburt und Tod. Im zweiten Fall ist es das Werden & Vergehen als eine nicht endende Kette.
Im ersten Fall sind wir Subjekt unserer ganz eigenen Geschichte, die es so nicht noch einmal geben wird.
Im zweiten Fall sind wir Teil eines Systems. Etwas, was es erst durch das Vielfache gibt. Es gibt Unterschiede zwischen mir und den Anderen, aber sie sind gering. Wie eine Blumenwiese, auf der wir einen Blumenteppich sehen aber nicht mehr die einzelnen Blumen.
Wir sind beides: individuell und gemeinsam.
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich unser Verständnis von uns selbst – unsere Einordnung als lebende Wesen – ändert mit der Epoche, in der wir leben. Waren wir noch vor wenigen hundert Jahren eher eingeordnet in einem vorhandenen sozialen Rahmen und gegebenem System, so hat sich heute unsere Selbsteinschätzung sehr in Richtung Individualität verschoben.
Und schon wieder erleben wir die Vor- und Nachteile des menschlichen Dualismus. So schön es auch ist, diesen Individualismus zu erleben, sich als einzigartig zu verstehen, seine Selbstverwirklichung voran zu treiben, umso bitterer ist es, die andere Seite der Medaille anzuschauen: Individualität ist vergänglich! Ich kann noch so kreativ, so mächtig, so wichtig sein für diese Welt, ich werde es nicht bleiben. Mir ist nur eine gewisse Zeitspanne gegeben.
Das könnte uns doch auch ein Hinweis in Richtung Demut geben.
Jorge Bucay schreibt in einem seiner Bücher über das Meer der Seelen; in das wir hinein tauchen, wenn wir sterben und aus dem wir wieder als neue Menschen geboren werden. Hier wird der Gedanke der Wiedergeburt in einer Variante verwendet.
Von Buddha soll es eine Weisheit geben, die in eine ähnliche Richtung zeigt. Sinngemäß heißt es da:
„Wenn Du glaubst, dass Du als derselbe Mensch wiedergeboren wirst, dann irrst Du. Wenn Du aber glaubst, dass Du als ganz neuer Mensch auf die Welt kommst, dann irrst Du genauso.“
Wie stand es mit der Religiosität eines Menschen, der den Zusammenhang zwischen Raum, Zeit und Materie (im Gegensatz zu mir) verstanden hat: Albert Einstein?
… und dann fragten Studenten ihn immer wieder: “Herr Einstein, glauben Sie an Gott?”
Und er hat geantwortet:
“Ich glaube an einen Gott, der sich in der gesetzlichen Harmonie des Seienden offenbart, nicht an einen Gott, der sich mit Schicksalen und Handlungen der Menschen beschäftigt.”
Einstein selbst beschrieb sein Gefühl der Religiosität folgendermaßen:
„Das schönste Gefühl, das wir erleben können, ist das Geheimnisvolle” (ich habe es im Laufe dieser Ausarbeitung “das Mystische” genannt. Ich denke, dass beide Begriffe dasselbe meinen).
Und weiter schrieb er:
“Es ist das Grundgefühl, das an der Basis aller wahren Kunst und Wissenschaft steht. Wem dieses Gefühl fremd ist, wer nicht mehr staunen und staunend dastehen kann, der ist wie tot, eine erloschene Kerze. Zu spüren, dass hinter allem Erlebbaren etwas steht, das unser Verstand nicht fassen kann, dessen Schönheit und Erhabenheit uns nur mittelbar erreicht: das ist Religiosität.
In diesem Sinne, und nur in diesem Sinne, bin ich ein zutiefst religiöser Mensch.“
Und noch eine andere Aussage von diesem klugen Menschen – Albert Einstein – berührt mich sehr:
„Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft blind!”
“Unsicherheit ist für uns die einzige existierende Sicherheit. Zu wissen, wie man mit dieser Unsicherheit leben kann, ist Sicherheit”.
John Allen Paulos
Dazu möchte ich etwas anmerken:
Ist das nicht paradox? Und es erinert mich an die Therapieform der paradoxen Intention. Dabei wird der Patient aufgefordert, sich in paradoxer Weise genau das herbeizuwünschen, wovor er Angst hat. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, auf diesem Weg ein Durchbrechen der bestehenden, sich selbst bestätigenden Teufelskreise der Angst zu erreichen. Die paradoxe Intention ist eine Methode der Logotherapie Viktor Frankls.
… denn wie ich dem Ende näher und näher komme, wandere ich im Kreis … immer weiter dem Anfang zu
Charles Dickens
Zwei Parabeln
Es gibt Geschichten – Parabeln – die unser Verhältnis zum Tod versuchen zu beschreiben. Ich erwähne hier zwei. Die erste gibt es in verschiedenen Fassungen; ich habe eine sehr verkürzte hier ausgewählt:
Ein ungeborenes Zwillingspärchen unterhält sich im Bauch der Mutter.
Erster Zwilling: „Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“
Zweiter Zwilling: „Ja, auf jeden Fall! Hier drinnen wachsen wir und werden groß und stark für das, was draußen auf uns zu kommen wird.“
Erster Zwilling: „Wie kannst Du das wissen? Das malst Du Dir so aus, aber beweise es mir bitte. Ich kann nur das glauben, was ich sehe und erlebe. Und das zeigt mir, dass es kein Leben nach der Geburt gibt. Nur hier ist das Leben. Ich habe Angst.“
Zweiter Zwilling: „Vielleicht ist draußen alles unvorstellbar anders?“
Erster Zwilling: „Draußen? Was ist das? Ich kenne das nicht. Und ich bin sicher, dass wir auch nicht hierhin zurückkommen werden.“
Die Zweite geht so:
„Es ist das Ende der Welt“ sagte die Raupe.
„Es ist der Anfang“ sagte der Schmetterling.
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