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Was der Sinn des Lebens? Für mich ist das eine wichtige Frage – vielleicht die wichtigste. Sie versteckt sich oft hinter konkreteren Fragen: Was kann ich tun? Wie sollte ich jetzt handeln? Wie möchte ich leben? Dabei wird zwar die Sinnfrage nicht explizit gestellt; sie wird aber dennoch dabei beantwortet. Und diese Beantwortung entscheidet über das Gelingen meines Lebens. Und wenn es gerade nicht auf einem guten Kurs verläuft, dann kann ich es ja ändern. Was ist dabei mein Bewertungsmaßstab? Es ist das, was ich für gut, für sinn-voll halte. Wie wir es auch drehen und wenden, nur wenn ich dem Sinn meines Lebens folgen kann, kann ich es gestalten … hin zum Guten.
Aber vielleicht kenne ich den Sinn meines Lebens gar nicht. Oder ich habe ihn verloren. Oder ich halte eine Marotte von mir für den Sinn. Dann muss ich ihn suchen und hinterfragen! Darum geht es hier, um das Suchen und Hinterfragen – weniger um das Finden.
Ich selbst bin schon lange auf der Suche. Und ich möchte hier einige meiner Erkenntnisse in einer Art Kurzfassung stichwortartig aufzählen:
Dies ist eine Kurzfassung meines Artikels (Skript/Buch) mit dem Titel “Suchen wir den Sinn”. Die Nummerierung habe ich übernommen. Damit haben beide Texte die gleiche Nummerierung und die Orientierung bzw. der Vergleich fällt leichter.
Gibt es einen Sinn im Leben? So oder so ähnlich lautet die Frage.
Ich kann sie auch anders formulieren:
Macht das Leben Sinn? Wie finde ich den Sinn des Lebens … oder wo?
Muss ich überhaupt einen Sinn finden? Kann ich den Sinn eigentlich auch verlieren?
Sinn hat viele Bedeutungen. Ich beschränke mich hier auf denjenigen, den ich selber einschätzen und empfinden kann. Das muss ich wohl tun; denn das Sinnempfinden eines Menschen vor langer Zeit oder dasjenige eines völlig anderen Kulturkreises kann ich nicht einschätzen, nicht nachempfinden. Vielleicht ist Sinn sogar eine Entdeckung der Neuzeit. Und wenn ich mich an meine Mutter zurück erinnere, dann würde sie vermutlich sagen: „Hör auf mit dem (Un-)Sinn, mach lieber Deine Hausaufgaben!“
Hier sind einige mögliche Antworten auf die Frage nach den Sinn des Lebens:
Wahrscheinlich gibt es so viele Antworten, wie es Menschen gibt. Jeder muss (darf) den Weg zur Sinnfindung selber gehen – oder eben auch nicht. Wenn das so ist, dann kann ich hier nur meinen Weg zum Sinn des Lebens beschreiben. Ich erwarte keine Zustimmung vom Leser und ich will auch niemanden überzeugen. Wenn ich aber damit jemanden erreiche, dann ist es gut.
Meine ganz persönliche Antwort auf die Frage nach den Sinn des Lebens lautet:
‘ich muss ihn suchen’ oder – formuliert mit einer positiven Färbung – ‘ich darf ihn suchen’. Es ist ein nicht endender Prozess des kritischen Denkens und Hinterfragens
Dabei bin ich abhängig von meiner eigenen Lebensphase. Erst wenn ich die Grundlage meines Lebens geschaffen habe, kann ich mich damit intensiver beschäftigen. Das bedingt, dass es mir nur möglich ist, den Sinn rückblickend zu finden
den Sinn verlieren heißt Krise, weil ich dann mit der eigenen Sinnlosigkeit konfrontiert werde
Das bedeutet für mich und mein Leben, dass ich nach meinen eigenen wahren Sinn – im realen wie im transzendenten Bereich, im Bewussten als auch Unbewussten – nur so weit sein kann, wie ich ihn bis dahin selber kennen gelernt habe. Sein umfasst auch mein Denken und Handeln. Insofern kann ich die Bedeutung der Entwicklung meines eigenen Sinns gar nicht hoch genug einschätzen.
Mein erster Grundsatz (1) lautet: Das Leben selbst ist voller Sinn, den ich (aber erst) entdecken muss (darf).
Wenn das Leben nun aber doch ohne einen (höheren) Sinn wäre? Dann wäre der Zufall der Meister. Und vom Zufall wissen wir, dass er das Gegenteil von Planung oder Kreation ist. Der Taj Mahal ist nicht durch Zufall entstanden, auch nicht die Pyramiden oder der Kölner Dom. Es war vielmehr eine große Anstrengung dazu notwendig.
Wenn ich Milliarden einzelne Steine in Milliarden Jahren ohne Plan und Sinn – also zufällig – auf einen Haufen werfe, dann entsteht daraus kein Taj Mahal, keine Pyramide, kein Kölner Dom.
Und dann soll das Leben – und damit auch der Mensch – ein Produkt des Zufalls sein? Der Zufall hätte in Milliarden Jahren noch nicht mal eine Amöbe zustande gebracht – vom Menschen ganz zu schweigen.
Sinn ist mit Wert verknüpft. Und weiterhin mit dem dazu gehörigen Verb bewerten. Ich kann etwas als wertvoll oder wertlos beschreiben, also mit einer Bewertung versehen. Wertvoll ist erstrebenswert, wertlos nicht.
Ich trenne den Sinn sehr deutlich von den Konventionen, zu denen ich auch jede Art von Anpassung, Erziehung, Brauchtum und ähnlichem zähle. Alles dies kann nützlich und gut sein, aber es ist antrainiert.
Ich will ein Beispiel bringen. Wenn ich nett zu den Nachbarn bin, dann muss ich keineswegs die Freundlichkeit als einen tieferen Sinn begreifen. Es kann sein, dass ich nur höflich sein möchte. Oder dass ich mit meiner vorgebrachten Freundlichkeit etwas überdecke, was mich ärgert oder bedrückt. Oder ich möchte vielleicht auch nur Streit vermeiden.
Aber nicht nur meine unbewussten Normen gaukeln mir einen Sinn vor. Viel mehr noch ist es die Psyche. Mit den folgenden zwei Beispielen will ich zeigen, wie unsere Psyche den wahren Sinn verdecken kann. Zunächst mal ein etwas banales Beispiel.
Das zweite Beispiel ist weitreichend und dramatisch. Ich will versuchen, bewusst allgemein zu bleiben, um nicht zu viele Emotionen oder Widerstände zu wecken.
Es ist also niemals so ganz klar, ob jemand – auch man selbst – nach (echten) Wertemaßstäben handelt oder nach einem psychisch bedingten (psychotischen) oder anders gearteten Antrieb. Ich formuliere einen weiteren Grundsatz.
Mein Grundsatz (2): Ich handele und urteile meist nach meinem momentanen, subjektiven, bewussten oder auch unbewussten inneren Wertemaßstab. Der ist zu unterscheiden von dem wahren (tiefen, inneren) Sinn.
Kann es sein, dass der Sinn meines Lebens schon von Anfang an fest steht? Dieser Gedanke knüpft an die Theorie der Wiedergeburt, bei der früher vorhandene Eigenschaften übertragen werden. Aber das nur nebenbei – die Wiedergeburt steht hier nicht zur Diskussion. Ich erinnere mich jedoch selbst schemenhaft an einige Szenen aus meiner frühesten Kindheit. Dabei liege ich auf meinem Wickeltisch und beobachte eine Auseinandersetzung zwischen meiner Mutter und meinem Kindermädchen. Und ich ergreife dabei (innerlich) Partei für das Kindermädchen und damit gegen meine Mutter. Kann ein Kleinkind im Alter von ca. einem Jahr so etwas beurteilen? Und dazu Position gegen seine Mutter einnehmen? Ja – behaupte ich, wenn es einen Sinn erkennen kann.
Anmerkung: Einschränkend will ich hinzufügen, dass Erinnerungen aus einer so frühen Kindheit schemenhaft oder auch verfälscht sein können.
Meine subjektiven Bewertungen können niemals einen endgültig richtigen Zustand annehmen. Stattdessen ist mein Wertemaßstab immer im Fluss, immer an Übereinstimmung oder Widerspruch mit Anderen, mit der Welt und mit mir selbst gekoppelt. Die Auseinandersetzung damit ist die Basis für meinen eigenen Prozess hin zu einem zunehmend wahrer (echter) werdenden Wertemaßstab. Sie ist das „Hin zum Guten“ … so möchte ich es mal nennen.
Das kann ich tun, ohne dass ich überhaupt wirklich beurteilen kann, was das Gute ist. Denn wenn es nicht zum Guten strebte, dann gäbe es das Leben nicht und schon gar nicht den Menschen. Alles, was in der Entwicklung falsch läuft, wird repariert. Das ist ein bestehendes Prinzip. Es muss auch beim Menschen gelten. Ein falscher Sinn des Lebens, falsche (zerstörende) Werte und eine schlechte Entwicklungen führen immer zur Korrektur. Als Grundsatz ausgedrückt:
Mein Grundsatz (3): Unser Sinn strebt immer zum Positiven. Damit ist er mit Moral verknüpft. Ist er negativ, dann kann er (muss er) geändert (geheilt) werden.
Dass dieser Wertemaßstab oft eben nicht gut (oder menschenwürdig) ausgeprägt ist, hat bereits Moses erkannt und wohlweislich die zehn Gebote erlassen. War das wirklich nötig? Was sind denn das für Menschen, denen man gebieten muss, nicht zu töten?
Ziel ist es, eine höhere Stufe der Reife, der Erkenntnis, des Sinns zu erlangen. Wenn alle Menschen dort angekommen sind, dann brauchen wir keine zehn Gebote mehr. Das ist dann das Paradies (jedenfalls so, wie ich es mir vorstelle).
Soweit die subjektive Seite der Sinnfindung.
Gibt es denn überhaupt eine objektive? Meine Antwort lautet: Ja! Sie wird von der Philosophie in Kombination mit der Psychoanalyse gegeben.
Es gibt zwei Gesetze (ich könnte sie auch Antriebe nennen), die uns Wahrheit und Sinn suchen und finden lassen: Die Individuation und das Kollektive Unbewusste.
„Individuation bedeutet: zum Einzelwesen werden, und, insofern wir unter Individualität unsere innerste, letzte und unvergleichbare Einzigartigkeit verstehen, zum eigenen Selbst werden. Man könnte ‚Individuation‘ darum auch als ‚Verselbstung‘ oder als ‚Selbstverwirklichung‘ übersetzen.“
Zitat (1933) des Psychoanalytikers Carl Gustav Jung
Beim Prozess der Individuation lernt der Mensch ‘Einig mit sich selbst zu sein’. Das ist einerseits ein anstrengender Prozess, der viel innere Arbeit verlangt und ein langer Prozess, der üblicherweise erst ab einem fortgeschrittenen Alter Erkenntnisse und Wirkung zeigt.
Wir sind nicht nur unser Selbst, sondern auch Teil eines Kollektivs. Dabei geht es u.a. um kollektive Bilder und kollektive Erfahrungen. Wir denken und handeln also nicht nur nach unserem eigenen Willen (subjektiv), sondern auch aus einem kollektiven Antrieb heraus (allgemein bzw. objektiv). Dazu gehören auch alle Archetypen, zum Beispiel die Mutterschaft (Mutter-Archetyp), der Held, der Narr usw.
Viele dieser Bilder des kollektiven Unterbewussten sind irrational und lassen sich daher nicht rational erklären. Dazu zählen auch kollektive Eigenschaften des Bösen. Auch wir selbst haben unseren eigenen Anteil am Kollektiven Bösen, was wir gerne verdrängen, weil wir es als nicht zu uns gehörend ansehen.
Wenn ich vorhin von einem subjektiven Sinn gesprochen habe, der in jedem Menschen steckt, dann wird es vielleicht auch einen objektiven Sinn geben. Ich stelle ihn mir vor als die Summe (oder das Gemeinsame) aller individuellen Sinne. Das könnte man dann auch als Zeitgeist, als epochale geistige Strömung oder ähnliches begreifen.
Damit bin ich am Ende der Kurzfassung angelangt. Einiges habe ich angeschnitten, was man vielleicht nur verstehen kann wenn ich versuche, tiefer und umfassender in die Materie einzudringen. Diese tiefer gehende Ausarbeitung findet man in meinem Skript/Buch.
Wir leiden vielfach an einem existenziellen Vakuum, das die innere Leere und Sinnlosigkeit massiv werden lässt. Dafür sind zwei Gründe maßgeblich: der Instinkt- und der Traditionsverlust. Weil der Mensch nichts mehr muss und nichts mehr soll, weiß er nicht mehr, was er will. Das Gefühl der Sinnlosigkeit schafft noogene Neurosen, Heilung erreicht man nur durch Sinnverwirklichung.
Nietzsche hat dies so formuliert: “Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt jedes Wie”. Nichts ist dem Menschen so unerträglich wie ein Leben ohne Ziele. Wo der Glaube zum Sinn fehlt, tritt an seine Stelle der Wille zur Macht, zum Geld oder zur Lust. Jeder kann einen Sinn finden, unabhängig von allen sonstigen determinierenden Faktoren. Viktor E. Frankl nennt drei Wege zur Erfüllung:
In früheren Zeiten gab es kaum eine Sinnsuche. Der Sinn war fraglos … und vor allem in die Religion eingebunden – kraft Tradition. Beides hat enorm an Wert verloren.
Nein! Entweder der Versuch mündet in Nostalgie – was dann eine aufgesetzte Tradition wird – oder es gibt Mode-Erscheinungen, die unbeständig sind, unecht und nicht auf einen wirklichen Wert verweisen.
Alle diese und weitere Institutionen bieten mir eine Beschäftigung an, die mein eigenes unerfülltes Sinn-Erleben befriedigen soll. Das ist von vornherein ausgeschlossen, da mir niemand einen Sinn geben (verkaufen) kann. Ich MUSS ihn selber finden!
Nach Frankl ist der Mensch gar nicht derjenige, der den Sinn finden soll. Vielmehr ist er vom Leben gefragt und muss nun antworten. Das Leben stellt Fragen und der Mensch gibt die Antwort.
Es ist eine Antwort in der Tat!
Eine aktive Antwort.
… etwas wofür ich mich einsetze, weil ich es für notwendig halte. Etwas wird von mir gefordert – oder wie es Goethe formulierte: „das ist die Forderung der Stunde“ – und ich komme der Forderung nach.
Selbstverwirklichung ist nur möglich durch Sinnerfüllung bzw. durch Selbst–Transzendenz.
Die Selbst-Transzendenz ist ein Begriff der Existenzanalyse Viktor Frankls und bezeichnet den grundlegenden anthropologischen Tatbestand, dass Menschsein immer über sich selbst hinaus auf etwas verweisen, das nicht wieder sie selbst sind, also etwa auf den Sinn, der gerade erfüllt wird oder auf Mitmenschen, mit denen er/sie in Kontakt ist. Indem ein Mensch auf eine solche Weise sich selbst transzendiert, verwirklicht er zunächst auch sich selbst, z. B. im Dienst an einer Sache oder in der Liebe zu einem anderen Menschen. Der Mensch genügt – nach Ansicht Frankls – von seinem Wesen her niemals sich selbst allein, sondern ist auf die Ergänzung durch andere Menschen angewiesen. Voraussetzung für die Selbst-Transzendenz sind ein gewisses Maß an Selbstdistanzierung und Werte als äußere Referenzpunkte, die Menschen eine Orientierung geben. Mit dieser Konstitution eines Menschen geht auch sein Vermögen zum Dialog und zur Begegnung einher.
Verwendete Literatur
Stangl, W. (2021). Stichwort: ‘Selbst-Transzendenz – Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik’. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/15949/selbst-transzendenz (2021-11-29)
Frankl unterscheidet drei Werte (Wert-Maßstäbe), die den Menschen kennzeichnen bzw. mit denen das Menschsein verbunden ist:
Was versteht Frankl unter Einstellungswerten?
Wenn ich an einer negativen Situation nichts ändern kann, dann ist es zwecklos, gegen das Unveränderliche zu kämpfen oder auch an der Unveränderbarkeit des Gegebenen zu verzweifeln. Sinnvoll ist vielmehr, das Gegebene zu akzeptieren und das Gute daran zu erkennen und zu leben. Dazu muss es mir gelingen, meine Einstellung dazu zu verändern.
An dieser Stelle könnte ich auch einen bekannten Spruch zitieren: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen“ der übrigens Martin Luther zugeordnet wird. Das geht zwar in die Richtung der Einstellungswerte, verfehlt aber das Ziel; denn ich möchte ja etwas tun, was morgen noch Bestand hat.
Für mich persönlich ist das mit einer positiven Vision auf die Zukunft … auf das Alter verbunden:
Da fällt mir noch ein anderer Spruch ein:
„Vor lauter Angst vor dem Tod vergessen die Menschen zu leben“
Frankl konnte bei Menschen eine Art Depression ausmachen, die nicht mit den bisher bekannten Ursachen zu erklären war und die auch nicht mit den üblichen Psychopharmaka behandelt werden konnte. Als Grund sah Viktor Frankl die ungelöste Sinnfrage an. Nach dem Denkkonzept der Existenzanalyse stellt die Sinnfindung im eigenen Leben das primäre Bedürfnis des Menschen dar: welchen Sinn sehe ich in dem, was ich heute tue, in dem, was ich für dieses Jahr geplant habe, in dem Beruf, den ich gewählt habe, in meinem persönlichen Leben mit dessen gesamten Planung und Perspektiven? Wenn der Mensch auf diese Fragen keine befriedigenden Antworten findet, wenn demgemäß die Sinnfindung bisher unbefriedigend verlief, sucht er nach Ersatzbefriedigungen, um die innere Leere, die aus dieser missglückten Sinnsuche resultiert, zu übertönen. Diese innere Leere, die psychisch als sehr unangenehm wahrgenommen werden kann, bezeichnete V. Frankl als „existentielles Vakuum“, ein Zustand, der im Leben eines jeden Menschen phasenweise auftreten kann und an sich noch keine Psychopathologie darstellt, sondern einen normalen Faktor im Rahmen adaptiver Prozesse.
Ein langzeitig anhaltendes „existentielles Vakuum“ kann schließlich in einen seelischen Leidenszustand münden, den Frankl als noogene Depression bezeichnete, in Anlehnung an sein Betrachtungsbild des Menschen als dreidimensionales Wesen, aufgespannt zwischen der körperlichen (biologischen), der seelischen (psychologischen) und der geistigen (noetischen) Dimension.
Diese noetische Dimension definierte Frankl als spezifische menschliche Ebene, in der das Wertesystem des Menschen beheimatet ist, aber auch die Spiritualität des Menschen und die Frage nach dem Sinn in seinem Leben (nicht zu verwechseln mit der philosophischen Frage nach dem Sinn des Lebens an sich). Weiterhin ermöglicht diese noetische Dimension dem Menschen, zu sich selber Stellung zu beziehen, zu sich selber quasi auf Distanz zu gehen, sich aus dieser (geistigen) Distanz selber zu betrachten und zu beurteilen. Führt eine ungelöste Sinnfrage über die genannte Entwicklung zu einer noogenen Depression, erweist sich diese erwartungsgemäß gegenüber einer medikamentösen Therapie als weitgehend therapieresistent, d. h. es ist durch Psychopharmaka bestenfalls eine bescheidene Besserung der Symptomatik erzielbar, da der Auslöser der Störung durch die medikamentöse Therapie nicht beeinflusst bzw. beseitigt wird.
Verwendete Literatur
Paschinger, Pirker-Binder: Existenzanalyse und Logotherapie
noogene Depression
Ich habe bereits in der zweiten Ergänzung über eine Form der Depression geschrieben, die Viktor Frankl als noogene Depression bezeichnete. Ich möchte das hier erweitern, nachdem ich kürzlich ein recht neues Buch in die Finger bekommen habe.
In dem Buch „Die Depressions-Falle“ von Thorsten Padberg wird berichtet, dass die Zahl der Depressionen in den letzten Jahren neue Höchststände erreicht hat – inklusive der damit verbundenen Krankschreibungen. Die Depression entwickelt sich zu einer Volkskrankheit. Dementsprechend steigt auch die Zahl der verschriebenen Medikamente gegen solche Depression von Jahr zu Jahr.
Ich möchte mich hier in diesem Zusammenhang mit zwei Fragen beschäftigen:
Erstens:
Warum steigt gerade jetzt die Zahl der Menschen mit der Diagnose Depression?
Zweitens
Warum werden immer mehr Medikamente gegen Depression verschrieben?
Diese Psychopharmaka wirken übrigens im allgemeinen recht gut. Medikamente, die Wirkstoffe enthalten, die den Hormonhaushalt verändern (korrigieren) (hier sei vor allem das Serotonin erwähnt) aber auch andere Substanzen, die mit der Bezeichnung Stimmungsaufheller auf den Markt kommen, lassen die Depressionen verschwinden.
Aber … das betrifft lediglich die Beseitigung der Befindlichkeit, jedoch nicht die Beseitigung der Ursache. Daraus lässt sich eine – für mich eher ungünstige Wandlung in unserer Gesellschaft ausmachen: Einige Menschen (es sind wohl eher viele) sehen nicht die Notwendigkeit, ihre psychischen Probleme in den Griff zu bekommen; es gibt ja gut wirkende Medikamente.
Eine kurze Anmerkung zwischendurch:
Dass ich das jetzt so formuliere, ist keineswegs im Sinne einer Abwertung gemeint. Es ist für mich eher die Folge einer trügerischen Hoffnung, dass Menschen sich auf die Wundermittel der Medizin verlassen, statt sich selber zu helfen. Und damit sind nicht diejenigen gemeint, denen das Schicksal eine schwere – manchmal zu schwere – Last aufgebürdet haben.
Die medikamentöse Behandlung ist von erheblichem Nachteil: sie lässt den Leidenden vermuten, dass sein Leiden – die Depression – ein (körperliches) Symptom ist, das mit dem richtigen Cocktail aus verschiedenen Substanzen wieder ins Lot gebracht wird. Was wir damit aushebeln ist aber unser eigenes Schutz-System.
Was passiert denn wirklich?
Mein Körper signalisiert mir mit der Depression, dass etwas mit mir nicht stimmt. Diese Meldung ist ein wertvolles Geschenk … so sehe ich es zumindest. Allerdings wird nicht gleichzeitig mit gesendet, was es genau ist, was da nicht stimmt.
Gerade das ergibt für mich einen Sinn! Ich will erklären, warum ich das so sehe:
Die Ausgangslage ist, dass es mir schlecht geht, vielleicht sogar schon in Richtung depressiv. Das verstehe ich als Botschaft, gekoppelt mit einem Auftrag:
„Finde heraus, warum es Dir schlecht geht. Finde die Ursache! Das ist jetzt Deine Aufgabe. Wenn Du die Lösung gefunden hast, wird es Dir wieder besser gehen.“
Wenn wir das mit Erfolg erledigen, stellen sich Glücksgefühle ein. Und gleichzeitig ernten wir Zufriedenheit; denn wir haben damit einen großen Schritt in Richtung der eigenen Sinn-Erkennung gemacht. Ich will das erläutern, indem ich den anschaulichen Vergleich im Buch von Herrn Padberg zitiere.
Vom süßen Saft in der Fliegenfalle angelockt, schlüpft die Fliege in das Glas … und kommt anschließend nicht wieder heraus! Herr Padberg vergleicht die depressive Lage, in die wir Menschen manchmal geraten, mit diesem Bild: wir haben (noch) nicht gelernt, Lösungswege zu finden, um aus unserer eigenen Fliegenfalle zu entkommen. Dann tun wir das doch jetzt: lernen wir aus der Fliegenfalle zu entschlüpfen!
Das ist anstrengend und das ist auch nicht angenehm. Die Fliege muss nicht nach oben ins Licht, wo die Freiheit lockt, sondern nach unten … ins Dunkle. Das ist ganz gegen ihre Gewohnheit. Die Analogie für uns Menschen muss dann so lauten: “suche die Lösung tief unten im Dunkeln; finde die Lösung an einer Stelle, die Du bis jetzt noch gar nicht kennst.”
Nehme ich dagegen ein Antidepressivum, dann schalte ich diesen Prozess aus!
Dann geht es mir aber nicht wirklich „besser“, ich merke nur nicht mehr, dass es mir immer noch „schlecht“ geht. Die Medikamente gaukeln mir vor, dass kein Problem mehr vorliegt.
Ich schreibe das hier mit dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen. Es mag durchaus Menschen geben, für die etwas anderes gilt und für die damit ein anderer Weg der bessere ist. Es erschreckt mich nur, dass es in unserer heutigen Zeit so einen rasanten Anstieg der Fallzahlen gibt. Depression war vor einigen Jahren noch eine relativ seltene Erkrankung. Es muss einen Zusammenhang mit unserer modernen Welt geben, und nicht etwa eine grundsätzliche Schwäche in der Auslegung unseres Körpers oder unseres Geists.
Ich habe in meinem Leben drei Depressionen erlebt. Die erste in sehr jungen Jahren – kurz vor dem Abitur. Die zweite als gestandener Mann! Beide habe ich überstanden – ohne die dahinter stehenden Probleme grundsätzlich zu erkennen, geschweige denn zu lösen. Bei der dritten hatte ich schon ein Alter um die fünfzig erreicht. Mit dieser letzten Depression waren dann schon sehr konkrete Botschaften verknüpft. Ich habe sie deutlich gespürt. Dabei tauchten Fragen auf wie:
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